Die Konditionierung: Sind wir „nur“ ein Produkt der Umgebung?

Dass das menschliche Gehirn determiniert ist, kann also nicht bewiesen werden, auch wenn viele Hirnforscher den Determinismus befürworten. Es lässt sich jedoch aus dem Fakt, dass die Gattung Mensch noch immer den Planeten besiedelt, schließen, dass das menschliche Nervensystem auf Grundlage kausaler Prozesse funktioniert. Schließlich musste der Mensch lernen, wie er mit Gefahren umzugehen hat.
Das wohl bekannteste Forschungsprojekt des russischen Mediziners und Physiologen Iwan Petrowitsch Pawlow ist der „Pawlowsche Hund“. Pawlow experimentierte mit Hunden. Als er die Speichelfreisetzung eines Hundes untersuchen wollte, bemerkte er, dass sich bereits vor dem eigentlichen Experiment Speichel im Maul des Hundes bildete. Schnell fiel ihm auf, dass nur die Hunde, die an das Experiment (Experimente bedeuteten Futter) gewöhnt waren, erhöht Speichel absonderten. Da dem Hund noch kein Fressen vorgesetzt wurde, konnte der Speichelfluss nicht auf den Geruch oder den Anblick des Futters zurückzuführen sein. Pawlow entschloss dem auf den Grund zu gehen. In einem neuen Experiment, gab er Hunden, die noch nicht an die Experimente gewöhnt waren, zeitgleich mit dem Vorsetzten des Futters einen Glockenton ab. Dies wiederholte er einige Male, bis sich bei den Pawlowschen Hunden schließlich auch Speichel beim bloßen Erklingen des Glockentons bildete. Was ist passiert?
Ein neutraler Reiz, nämlich der Glockenton, wurde damit zu einem bedingten Reiz. Dieser allein reichte, um dieselbe Reaktion, den Speichelfluss, wie der eigentliche unbedingte Reiz, das Futter, auszulösen. Man nennt dies auch klassische Konditionierung.
Das Gleiche lässt sich natürlich auch bei Menschen beobachten. Um beim Thema Speichel zu bleiben: Was passiert wenn Ihr nachfolgendes Bild betrachtet? Stellt euch vor Ihr beißt genüsslich in die Zitrone.
Ich weiß ja nicht, was es bei euch auslöst. Aber mein Gaumen bereitet sich nur bei dem Gedanken, in die Zitrone zu beißen, also ohne den wirklichen Verzehr, auf diese saure Vitaminbombe vor. Nicht lecker?
Eine weitere Form ist die operante Konditionierung. Diese Form der Konditionierung lässt sich einfach formuliert mit dem „Lernen durch Belohnung oder Bestrafung“ erklären. Demnach kann die Auftrittswahrscheinlichkeit einer bestimmten Verhaltensweise, durch Belohnung oder eben auch Bestrafung erhöht oder gemindert werden. [1]
Das Konditionierungslernen brachte im Laufe der Evolution viele Vorteile, was die Anpassung an verschiedene Lebensräume bedeutete. Man betrachte einfach einen Hund der versucht eine Tür zu öffnen. Dieser springt erst einige Male gegen die Tür, bis er durch Versuch und Irrtum lernt, die Tür zu öffnen. Durch Zufall kommt er mit seiner Pfote an die Türklinke und voilà, die Tür öffnet sich. Dieser Sachverhalt löst im Hund eine positive Empfindung aus, sodass er sich fortan merkt, wie er eine Tür richtig zu öffnen hat. Das Konditionierungslernen bildet also eine Grundlage für neue Verhaltensweisen.
Dies macht den Menschen natürlich auch ein Stück weit manipulierbar. Mir würde beispielsweise niemals einfallen, bei Tisch und versammelter Familie zu rülpsen. In der Vergangenheit nämlich im Mittelalter und sogar heute in manchen Teilen der Welt gehört es zum guten Ton.
Unsere Verhaltensweisen, unsere bewusste Wahrnehmung, sowie unser Unterbewusstsein werden also von der Konditionierung beeinflusst. Schließlich kann man einfach ausgedrückt, nicht leugnen, dass sich beispielsweise die Mentalität entsprechend dem Geburtsort ändert, oder der Intellekt eines Individuums zu großen Teilen von der eigenen sozialen Schicht abhängig ist. Diese Beispiele sind natürlich sehr einfach gefasst, doch einen ähnlichen Zusammenhang zwischen Erfahrungen und Selbstbild kann man in den kleinsten Charakterzügen feststellen. Oft nimmt man gar nicht bewusst war, wie sehr man seinen Eltern oder dem sozialen Umfeld ähnelt und nach welchen Mustern man Entscheidungen trifft. Zusammengefasst verspürt man allerdings meistens das Gefühl, dass man es immer Selbst war, der die Entscheidung rational getroffen hat.
Unser Verstand, sowie unser Selbstbild ist ein Produkt der Umgebung und reagiert stets auf Eindrücke der externen Welt. Wie es sich dabei zu Lebzeiten entwickelt, hängt von verschiedensten Faktoren, wie der Erziehung, Umgebung, Bildung usw. ab.
Unser Verstand ist ein hilfreiches Werkzeug, das es uns ermöglicht den Alltag gut zu bewältigen. Ohne ein Selbstbild wären wir schlichtweg aufgeschmissen. Trotzdem bietet dieses Ego immer noch viel Raum für persönliche Konflikte im Inneren. Wieso?
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[Übersicht der Artikel-Serie: Dem Ich auf der Spur: Eine Spritztour in das Bewusstsein]
Quellen:
[1] Wikipedia: Konditionierung, http://de.wikipedia.org/wiki/Konditionierung (Version vom 15.07.2014)